Das Ursenlied
Ursprung: Steinrier
Götterdämmerung der Barn
Kapitel eins – Die Urriesen
¹ In den ersten Tagen gebar die Welt die furchtbaren Titanen. Es gab viele von ihnen und einige waren groß wie Berge und ausufernd wie die Meere. ² Aus ihren Fußabdrücken keimte das Leben im großen Chaos. So entstanden auch die ersten Götter. Ihre Namen waren AYdyn, Usid und HEd. ³ Der erste unter ihnen aber war AYdyn. Er war klug und stolz und in seiner Jugend vollbrachte er viele Wunder und Heldentaten. Doch immer hielten die Wege der alten Titanen die Götter in vorgegebenen Bahnen und dies missfiel AYdyn. ⁴ Da beriet er sich mit seinen Brüdern und sagte HEd, er solle ein Ding schaffen, welches machtvoll genug sei, es im Kampf mit den Titanen aufzunehmen. ⁵ Sie zeugten also ein Ding, einen mächtigen Leviatanen, so groß und stark, dass er es selbst mit den größten und stärksten unter den Urriesen aufnehmen konnte. Dieses Ding aber bewohnte die Ursuppe. ⁶ Die Zeit der Schlacht kam und der Spross der Götter richtete sich vor den Titanen auf und als sich die Gegner aufeinander warfen, erzitterte die Welt in ihren Grundfesten.
⁷ Von der Macht der Götter unterstützt erschlug der Leviatan die größten der Riesen. Die verbliebenen aber fielen unter den Schlägen der Götter oder flohen ins Chaos. Fortan mussten sie im Verborgenen ihr Dasein fristen, doch ihr Blut ist nicht zur Gänze verstummt.
Kapitel zwei – Die Bruderlist
¹ Nachdem die Titanen die Welt verlassen hatten, war diese ungelenkt und öde verblieben. Da trat AYdyn erneut zu seinen Brüdern und vor alle anderen Götter und sagte jedem von ihnen eine Aufgabe zu. Die Welt aber teilte er nur durch drei große Stücke. ² Er selbst, der größte unter den Göttern, beanspruchte die lichten Gefilde für sich. Hier wollte er sein Reich errichten und neues schaffen. ³ Seinem Nächstgeborenen Bruder Usid übergab er die Wasser und hier sollte dieser mit seinen Meerweibern leben und neues zeugen.
⁴ HEd aber blieben nur die dunklen Räume unter der Welt. Hier, wohin sich auch die überlebenden Titanen geflüchtet hatten, sollte dieser wachen und das beste aus diesen Gefilden machen. ⁵ Zuerst schien es, dass alles gut sei, doch bald musste der junge HEd erkennen, welcher Nachteil ihm da gegeben ward. Während die lichten Welten und die Wasser unverbraucht und biegsam waren, hatte sich die alte Dunkelheit in ihren Löchern fest gefressen, war steif und unveränderlich geworden.
⁶ Hier in den Tiefen konnte kein Gott etwas erschaffen. HEd musste die Tiefe nehmen wie sie war, mit all ihren Schrecken und Plagen. ⁷ Da wurde sein Herz kalt und er gebar einen schrecklichen Groll gegen alle Götter, doch keinen unter ihnen hasste er mehr als AYdyn, denn dieser hatte in seinen Augen die Bruderlist begangen.
Kapitel drei – AYdyn freit sein Weib
¹ Vom Kriege müde bezog nun endlich der Kriegsgott AYdyn seine Burg mit Namen Urshall. Dort aber wurde er nicht froh, denn sein Lager ward kalt wie der Stein, auf dem seine Feste im Himmel ruhte. ² Da schickte er Reiter hinaus, nach Weibern zu sehen und die Schönsten von ihnen sollte man ihm in seine Halle führen. ³ So brachten die Ursen viele Weiber, von denen die stolzesten und schönsten waren: Irde, die ihm seinen Sohn TYr gebar, FryGa, die Ursenkönigin, mit der er Baldner, Brage und viele andere Nachkommen zeugte, Rind und Grydlyn, einen Stamm von Jurdenweibern von außergewöhnlicher Schönheit und auch die Jurdentochter Kundöe und ihre Schwester LAge, Göttin des Wassers. ⁴ Mit all diesen Weibern und vielen mehr teilte er sein Lager, doch nur FryGa stieg zu ihm auf seinen Thron und so wurde sie zur Göttermutter und seinem schlimmsten Schmerz. Denn FryGa konnte nicht teilen und wollte den Herrn der Götter für sich allein und da verlangte sie von ihm Treue im Gegenzug für ihr Herz. ⁵ Trunken von ihren überschwänglichen Liebesbeweisen sagte er ihren Wünschen zu, denn er dachte bei sich, sie würde nicht an ihnen festhalten in alle Ewigkeiten. Doch er irrte sich, denn kein Gott kann bis an den Boden des Herzens eines Weibes blicken.
⁶ Es kam der Tag da AYdyn unter seine Geschöpfe trat und nur aus jugendlichem Schalk ein Mädchen neckte. Da erschien er der Sterblichen als junges Ross, ließ sie aufsitzen und rieb sie mit seinem Leib.
⁷ FryGa aber beobachtete dieses Treiben und da wurde ihr Herz so kalt wie die Steppen des Jurdenlandes. Über Urshall kam ein großes Klagen, denn die goldenen Apfelbäume vergingen im Sommer, der zu tiefstem Winter ward. Und so kam es auch, dass die Tore Urshalls sich für die beiden Eisjurden Fafnaug und Irnis öffneten, denn die Göttin ließ sie eintreten, war ihr Herz doch voll Hass gegen alle Ursen. ⁸ AYdyn aber sah, was geschehen war und er wollte seinem Weib nicht entgegentreten. ⁹ Da bedeckte er sein Haupt mit Krempe und Mantel und verließ seinen Hof, um etwas zu finden, das ihn wärmen mochte, jetzt da der Schoß seines Weibes für ihn erkaltet war.
Kapitel vier – Der Ring
¹ Tief unten im Lichtlosen, dort selbst leben die Niederen. Sie sind die Diener der Dunkelheit in HEds finsterem Reich. Wie überall kommt es auch hier zu Ränken und Streit und auch die Niederen streben nach Macht und Ruhm. Einer von ihnen trug einen Namen und nach diesem soll er hier genannt werden: Eldrig. ² Weise war der Eldrig zu dieser Zeit und wie kein anderer verstand er sich auf das Handwerk des Schmiedens. Das Handwerk aber ist mächtig und seine Früchte verändern den Lauf der Welten und dies wusste der Eldrig. ³ Da schuf er einen Ring mit seinem Wissen und der Ring war rund wie das Weltenrad, doch ohne Nabe und Speichen und er hatte keine Zahl. ⁴ Gemacht war er aber ganz und gar aus dem flüssigen Gold der Bäume Urshalls, denn hier in die Tiefe war das Gold geronnen, als der Sommer zum ewigen Winter geworden war. Und als er seinen Hammer beiseite legte und den Ring anhob, da fielen acht Tropfen von dem Ring und die Tropfen wurden wie jener zu Ringen und sie waren geschlossen wie Räder und hatten weder Speichen noch Nabe. ⁵ Die Acht aber gab der Schmied seinen Dienern und diese trugen sie und die Ringe machten sie mächtig und stark. Ihre Herzen jedoch glühten aus unter dem Strahlen der Schmuckstücke. Und nun fielen immer und immer alle acht Tage acht Ringe von dem großen Ring und immer nach dieser Zeit gab Eldrig die Ringe an weitere Diener und so wurde um ihn ein Heer aus kalten Kriegern.
⁶ Von diesem Ring aus dem göttlichen Gold hörte der Vater und da beschloss er hinab ins Lichtlose hinab zu steigen, um im Reiche seines Bruders nach einer Lösung für sich selbst zu suchen. ⁷ Bewaffnet mit seinem Speer GYkir, der immer trifft und nach Blut schreit, stand der Allvater in der Tiefe und rief nach dem Eldrig und als der vor ihn trat, schleuderte AYdyn sogleich seine Waffe. Überrascht und getroffen, ging der Niedere zu Boden und verlor seine Macht. ⁸ AYdyn aber entkam mit seiner Beute und die Krieger in gleißenden Gewändern folgten ihm in die herannahende Schlacht.
Kapitel fünf – Wie AYdyn alles verliert
¹ Mit dem Ring der Niederen an der Hand und seinem Gefolge hinter sich trat AYdyn, der mächtigste der Götter, vor seine eigenen Hallen und forderte die Riesen zum Kampfe. ² Da standen diese auf und die Welten und Wasser erzitterten unter ihren mächtigen Füßen. ³ Zuerst hob aber Irnis seine Keule und da ging ein gewaltiges Donnern auf die Armee des Gottes hernieder, dass ein drittel aller Krieger zu Staub zerfallen ließ. ⁴ Nun aber stand der ältere Jurde Fafnaug auf und da er in sein Horn bließ, ging ein eisiger Sturm durch die Reihen der Kämpfer und nahm dem Gott ein weiteres Drittel seiner Mächte. ⁵ Da hob AYdyn den Ring und ließ Irnis aussehen wie er und umgekehrt und verwirrt schlug da der Bruder dem andren mit dem Beil in den Kopf. Getroffen aber verging der Jurde Irnis und mit ihm das Halbe Winterreich.
⁶ Doch vom Aufprall des Riesen wankte auch AYdyn und verhedderte sich im Barte des Überlebenden Jurden. Und da riss ihm die Kraft des Feindes die Ringhand entzwei. Sofort war es Fafnaug dessen Leib sich mit der Kraft des Ringes füllte, doch die Wildheit des Jurden wirkte nicht wie die Schläue des Allvaters und so machte der Ring ein gewaltiges Scheusal aus dem Riesen. ⁷ Diese Zeit ist die Geburtsstunde des grausen Drachen Dursnaug, der in seinen Schuppen das flüssige Gold der Götter trug.
⁸ Wie der Drache sich in die Lüfte erhob, wich das Eis von seiner Feste, doch AYdyns Augen waren voller Trauer. Um ihn lagen die Leiber aller Ursen, die im Krieg gefallen waren und keiner von ihnen würde auferstehen solange das Ungetüm das Gold bei sich trüge. ⁹ An der Türe seines Weibes aber lauschte er nur. Einzutreten, da bräuchte es mehr Mut, als der Krieg und der Tod von einem Manne verlangte.
Kapitel sechs – Die Suche
¹ AYdyn aber verließ sein Reich auf der Suche nach etwas, das seinem Herzen den Frieden wieder geben mochte. ² Zwar ward nun das Reich befreit, aber seine Allmacht war nicht mehr. Zu sehr hing er in Gedanken am Hass. Leise, doch stetig rief ihn das Gold. ³ Konnte es von einem Scheusal getragen über die Reiche verteilt werden? Diese Macht musste den Göttern zugetragen werden, denn ihnen entstammte sie und zu ihnen musste sie zurück. ⁴ Die Macht dürfte nie bei den Sterblichen liegen, denn sie würden einst die Welt zu Grunde richten. ⁵ So wanderte der Gott nach unten und über viele Brücken aus Eis und erreichte schließlich das Land in der Mitte. Die dort lebten waren außen wie Aydyn, in ihrem Inneren aber waren sie Stroh, Wasser und Lehm. ⁶ Da kam der Gott an einer Weide vorbei und ausgestreckt lag da ein Mädchen. Ihre Schönheit war nicht jener der Göttinnen ähnlich, doch fand er sie ansprechend genug, in ihr Wärme für sein erkaltetes Herz zu suchen. So lagen sie beieinander, doch ihre Wärme vermochte den Verlust in AYdyns Herz nicht zu lindern und so musste er weiter ziehen.
⁷ Viele Winter und ebenso viele Sommer wanderte der Vater über die Reiche der Sterblichen und in dieser Zeit lag er bei vielen Weibern, doch kein Schoß vermochte sein Herz zu wärmen. Das Gold rief ihn. Es sang ihm von der Heimat, wohin es wollte. ⁸ Da wurde ihm schwer und schwerer ums Herz und er musste einsehen, dass keine Ablenkung ein Ersatz für die Erfüllung sein konnte. ⁹ Diese Zeit brachte viele Hünen hervor, die Heldentaten vollbrachten, Reiche schufen und Reiche zerstörten, doch deren Geschichten sollen mit anderen Worten erzählt werden.
Epilog
¹ Der Allvater aber wanderte weiter auf der Suche nach dem Heil. Diese Wanderschaft hält für immer an bis zum Tage und bis zur Nacht der letzten Erkenntnis, die kommen mögen in unserer, der Kinder Zeit.