Encyclopaedia GalacticaLiteraturAuswahl

Piratentochter

Ursprung: Tiba Fe

Land: Moraid

-15.356

Zeit des Friedens

Zehn Jahreszeiten (also etwa ebenso viele Standardjahre; anm. der Redaktion) sind vergangen, seit die drei Abenteurer und ihr Phani die Schwarze Perle von Angband fanden und – in ihrer auf ihren Reisen gewonnenen Weisheit wegen – hinter sich zurück ließen. Ruhm und Ehre wurde ihnen für ihre Wagnisse zuteil und nicht zuletzt gewannen sie das Wohlwollen der Obrigkeit von Shishney. Doch wir wollen ein wenig genauer betrachten, wie es ihnen in dieser Zeit des Friedens und der Ruhe erging. Beginnen wir wie immer, bei dem tapferen Nygh Ughtred, manche kennen ihn als Meisterdieb, gerne wird er als Schlüsselmacher und gute Seele der Truppe bezeichnet und nun auch als Freund des Fürstenhauses derer zu Shishney. Ughtred zog es natürlich nach Hause. Er hatte nach wie vor die entliehenen Artefakte von Undorn in seiner Obhut, genauer, den Navigationskristall Aiynari dan Tiba Fe, eine äußerst genaue virtuelle Karte der Tiba Fe und das Messingschwert der Toten unter dem Hügel.

Dranought war natürlich unter normalen Umständen von Shishney aus eine Weltreise voller Gefahren entfernt, aber nun, mit dem Wohlwollen der Fürstin der Stadt, war es ein Leichtes zumindest Dorbag, die Hauptstadt von Korezuul via Vortex zu erreichen und von dort aus, war der Weg nach Hause für den Nygh – nach all den erlebten Abenteuern – eine Erholung.

Wie hatten die Wächter der königlichen Hallen von Dorbag gestaunt, als der alte Vortex zu glühen begonnen hatte und einer der Ihren aus dem wabernden Nichts der Anderwelt getreten war. In kürzester Zeit hatte Ughtred seine Reise nach Dranought geplant und war mit einer kleinen Karawane von Horntierreitern aufgebrochen. Unterwegs hatte er den Landsleuten die Zeit mit Geschichten vertrieben und sich als wahre Erleichterung für jede Reise erwiesen, denn er war stark, mutig und keiner seiner Wegbegleiter hatte seine Erfahrung im Umgang mit der Wildnis. Er hatte sich verändert. Als er Korezuul mit den Silberwölfen verlassen hatte, war er ein Junge gewesen. Nun war er ein erfahrener Kämpfer und Waldläufer. Er hatte gegen Untote, Riesen, Amytoren und sogar gegen einen gewaltigen Drachen gekämpft und überlebt. Er war ein Held. Und trotz all dieser Dinge, war er auf dem Boden der Tatsachen geblieben. Bescheiden wie eh und je, prahlte er nicht, wie es zum Beispiel Kyon tun würde – er schmunzelte, wenn er an den verrückten Barden und seine Eskapaden dachte. Er tat stets nur was getan werden musste und versuchte dabei niemandem zu schaden. Darum auch dieser Weg. Er freute sich darauf, seine Leute und seinen Vater wieder zu sehen, doch er hatte Kisadmur tatsächlich schweren Herzens verlassen. Dafür gab es zwei wesentliche Gründe. Der Erste war die Tatsache, dass er in Tal, Kyon und Odugme Freunde gefunden hatte und sich kaum noch vorstellen konnte, in der Entlegenheit Dranoughts zu leben. Er wollte lernen, immer mehr lernen und die Tiba Fe war die Welt der Silberwölfe. Sie hatten alles Wissen gehortet und nur ihre Magazine würden seine Neugierde befriedigen können. Der zweite Grund war weit süßer und – er tat sich schwer, es sich selbst zuzugeben – drängender. Kaum eine Jahreszeit, nachdem er mit den anderen nach Shishney zurückgekehrt war, hatte er Iselwig, die wahrscheinliche einzige Frau seines Volkes in Kisadmur kennengelernt. Sie hatte Shishney an Bord eines Flugschiffes erreicht und war aus dem fernen Oriad hierher gekommen. Sie war fast zwanzig Jahreszeiten älter als Ughtred (was bei den Nyghs kaum etwas zu bedeuten hatte) und eine erfahrene Navigatorin. Korezuul hatte sie vor langer Zeit mit ihrem Vater an Bord eines kisadmurischen Flugschiffes verlassen und seither war sie von Land zu Land gereist und hatte die Kunst der Luftschifffahrt erlernt. Als jedoch ihr Vater vor einiger Zeit bei einem Unfall sein Leben verlor, hatte sie das Heimweh gepackt. Voller Trauer war sie von Oriad aus in Luft gestochen und hatte sich auf den beschwerlichen Weg in Richtung Norden gemacht. Erst in Shishney änderte sich ihr Schicksal erneut, als sie in der Eindornigen, einer Kaschemme nahe des Silberhafens auf Ughtred getroffen war.

Als befänden sie sich auf einer einsamen Insel, fühlten sie sich direkt zueinander hingezogen und tatsächlich vereinte die beiden weit mehr, als die Seltenheit ihrer Spezies in diesen Landen. Sie waren beide gleichermaßen von der Idee begeistert, soviel Wissen wie möglich zu sammeln. Es war geradezu eine Besessenheit, und je mehr sie redeten, umso näher kamen sie sich. Luftschiffe, ferne Länder, fremde Kreaturen und als Ughtred gar von seiner Reise zu einer fremden Welt berichtete, war Iselwig ihm ganz und gar verfallen. Und dabei bemerkt der zurückhaltende Nygh ihre Zuneigung nicht einmal. Er konnte sich zu Beginn nicht vorstellen, dass eine so kluge und noch dazu weltgewandte und schöne Frau, sich einen wie ihn aussuchen könnte. Daheim nannten sie ihn Dieb, weil er sich Wissenskristalle aus den Hallen der Wissenswahrer ausgeliehen hatten und waren ganz froh gewesen, einen wie ihn los zu werden. Jetzt waren da diese Augen wie blaue Kristallseen und das feuerrote, unwirsche Haar, dass ihr immer wieder über eines ihrer Augen rutschte. Schließlich war sie es, die ihn stetig aufwecken musste, weil er sie bei ihren wissenschaftlichen Exkursen anhimmelte und den Faden verlor. Doch eines Tages, war der Bann einfach so gebrochen. Anstelle ihn aufzuwecken rutschte sie über den Tisch und küsste ihn. Im ersten Moment war es ihm peinlich gewesen, doch die anderen Gäste der Kaschemme, zumeist Quink und einige verwegene Silberwölfe, machten sich aus solchen Dingen nichts und waren weit drastischere Handlungen gewohnt. Also ergab er sich ihrer Schönheit und war binnen weniger Sekunden mit Haut und Haaren verloren.

»Komm mit mir nach Korezuul«, hatte er sie gebeten, denn er wusste ja, dass dies ohnehin ihr Weg gewesen wäre, aber sie hatte gelächelt und verneint.